Mitte September musste Tom uns verlassen, um eine Woche in Deutschland zu arbeiten. Ich wollte in dieser Zeit als Einhandseglerin mit Kindern verbringen. Im Klartext: Ich wollte alleine etwas weiter um Mallorca herum segeln.
Der Wind legte sich langsam, nachdem Tom uns nach Deutschland verlassen hatte. Am 16. September war es allerdings doch noch zu windig. Die Kinder und ich fuhren etwa 1 SM weit aus der recht geschützten Ecke vor dem Hafen Alcudias raus, um dann direkt wieder umzukehren. Der Wind war gegen uns und ich fühlte mich unsicher.
Das Manöver an unserer alten Boje gelang ziemlich gut. Ein erster Test…
Mir war wichtig, dass ich alleine mit den Kindern nur dann weiterfahren würde, wenn wir kurze Strecken bei eher wenig Wind vor uns hätten. Ich hatte mir eine grobe Route von Alcudia bis nach Porto Colom gesetzt, eine Strecke von insgesamt 55 SM, und einen Zeitraum von etwa 4-5 Tagen. Dann sollte es wieder windiger werden und ich wollte sicher gehen, dass wir geschützt wären.
Los geht’s
Am 17. September machten wir uns schließlich auf den Weg weiter um Mallorca herum. Wir hatten uns eine Bucht im Norden Mallorcas ausgesucht. Naja, eigentlich haben wir die Bucht unterwegs gewählt. Ich hatte mehrere zur Auswahl und überließ Kiran die Entscheidung.
Auf dem Weg nach Cala Torta hatten wir sehr ruhige See und einen tollen Ausblick. Ich nutzte den Motor und die Fock als kleine Unterstützung, da wir sehr wenig Wind hatten.
Nur wenige Boote waren unterwegs und an einer Stellen dachten wir, Delfine zu sehen. Ich stoppte den Motor und wir beobachteten das Wasser. Nach einer Weile erkannten wir, dass es sich nicht um Delfine handelte, sondern um sehr große Fische, die aus dem Wasser sprangen.
Fische springen aus dem Wasser
Durch diesen Beobachtungsstopp brauchten wir für die 15 SM gut 3,5 Stunden. In der Bucht lag kein einzige Boot. Das machte mich nervös, aber der Untergrund bestand aus Sand und hatte nur 3-5 m Tiefe. Wir ankerten mitten in der Bucht, was etwas länger dauerte als üblich, aber sonst problemlos verlief. Eigentlich hatten wir uns auf das klare Wasser gefreut, doch schnell entdeckten wir einige Leuchtquallen, was uns sofort davon abhielt ins Wasser zu springen. Dennoch wollten wir gerne an den Strand, der von Land aus ganz gut besucht war. Wir entschieden, das Stand-up Board zu nutzen. Gemeinsam paddelten wir so sicher zum Strand. Dort sahen wir auch die Quallen-Warnflagge.
Sport
Unser Ziel war der Hügel neben dem Strand. Auf dem Weg nach oben haben wir spontan eine Sportstunde eingelegt. Kiran versuchte mit einem Stein das Wasser zu treffen. Solana tat es ihm nach. Also übten sie Weitwurf. 😉
Als wir es endlich nach oben geschafft hatten, hatten wir einen schönen Blick über die Bucht. Wir waren (inzwischen wieder) das einzige Boot und langsam machten sich die Landratten auf den Weg nach Hause.
Zurück an Bord beobachteten wir, wie die letzten Strandbesucher verschwanden und genossen die Ruhe. Nachdem die Sonne untergegangen war, war es stockfinster um uns herum. Und das, obwohl der Mond schien. So dunkel hatten wir es noch nie erlebt. Einerseits wundervoll und beeindruckend, andererseits auch furchteinflößend. Letztlich entschied ich mich für wundervoll. 🙂
Spontan sein ist alles
Den Morgen des 18. September verbrachten wir in der schönen Bucht. Es war nahezu windstill. Mit wenig Wind von achtern (=hinten) segelten wir schließlich Richtung Cala Millor. Ein besonderes Ziel für mich…
Gemeinsam mit Kiran zog ich den Gennaker hoch. Dieses Segel ist immer noch neu für uns, aber der Wind war einfach ideal. In etwa 2,5 Stunden brachten wir so 11 SM hinter uns. Im Vorbeifahren entschieden wir spontan, ein Stück umzukehren und in Cala Cayamel zu ankern. Hier gibt es die Tropfsteinhöhlen von Arta und das wollten wir uns nicht entgehen lassen. Um zu den Höhlen zu gelangen mussten wir ziemlich den Berg hinauf. An diesem Tag war es sehr schwül-heiß und obwohl der Weg wunderschön durch eine Art Wald an der felsigen und steilen Küste entlanglief, war es eine Tortur. Ich bekam kaum Luft und war schweißgebadet. Den Kindern ging es nicht viel besser. Oben an der Straße machten wir eine Pause, bevor wir uns die letzten 200m bis zum Höhleneingang vornahmen.
Tropfsteine
Wir kamen genau passend zur nächsten Führung. Die Kinder waren begeistert. Diese Form von Homeschooling gefällt ihnen immer noch am besten. Die Führung war auf Spanisch, Englisch und Deutsch. Durch die Höhlenakustik war nicht immer alles sofort gut zu verstehen, aber dadurch hatten die Kinder wieder eine Gelegenheit Englisch (verstehen) zu üben. Besonders beeindruckend war der „Höllenraum“, in dem mit Musik und Lichtern eine atemberaubende Atmosphäre erzeugt wurde! Die Tropfsteine selbst regen die Fantasie an. Use your imagination!
Musik-Show in der Tropfsteinhöhle
Verzögerung
Nach einem entspannten Abstieg zur Bucht, war uns allen nach einem Bad zumute. Also sprangen wir noch schnell ins Wasser und schwammen ein paar Runden ums Boot, bevor wir weiter nach Cala Millor fuhren.
Dieses Mal hatten wir etwas mehr Wind, ca. 12 Knoten. Weiterhin von hinten, so dass wir erneut den Gennaker setzten. Zugig fuhren wir die 5 SM bis kurz vor den Strand von Cala Millor. Ich war bereits erleichtert, dass wir es vor Sonnenuntergang geschafft hatten, doch dann bekam ich den Gennaker nicht runter. Obwohl ich in den Wind fuhr und der Gennaker wie wild flatterte, wollte der Schlauchsack, der von oben über das Segel gezogen wird, nicht runterkommen. Ich zog so kräftig ich konnte. Kiran half und auch Solana musste acht geben. Immer wieder verhakte sich der Schlauch oben und es ging weder hoch noch runter.
Ein kleines Anglerboot fuhr gemächlich an uns vorbei und die drei Männer schauten gespannt, was wir taten. Nach einer Weile fuhren sie erneut vorbei, boten aber keine Hilfe an.
Inzwischen war ich mit meinem Kräften am Ende und entschied, das Seil, an dem der Gennaker hochgezogen wird, einfach komplett herabzulassen und notfalls das Segel ohne seinen Schlauchsack in irgendwelche Backskisten zu stopfen, nur um endlich wieder Kurs aufnehmen und ankern zu können.
Sobald ich das Seil gelöst hatte, kam plötzlich auch der Schlauch runter. So konnten wir das Segel doch noch korrekt bergen. Und ich weiß jetzt auch, was ich beim nächsten Mal sofort mache, wenn sich der Gennaker nicht einholen lässt…
Erschöpft!
Dieses ganze Manöver hatte etwa 30 Minuten gedauert und wir waren wieder ein ganzes Stück von Cala Millor entfernt. Wir hatten ja im Wind fahren müssen. Inzwischen war die Sonne untergegangen und ich fuhr so schnell wie möglich unter Motor wieder nach Cala Millor. Dort befand sich kein einziges Boot vor Anker. Das machte mich nervös, aber ich hatte keine andere Wahl mehr, da ich unter keinen Umständen alleine mit den Kindern nachts fahren wollte. Außerdem war ich fix und fertig. Mein Körper schmerzte überall und ich hatte Blasen an den Händen. Gemeinsam mit den Kindern schaffte ich es noch zu erkennen, wo in dem Sand-, Algen- und Stein-Gemisch ein großer Sandfleck zum Ankern war. Auf etwa 6m ankerten wir mit 35m Kette. Glücklicherweise hielt der Anker und ich hatte eine relativ ruhige Nacht, um mich zu erholen.
Erinnerungen
Doch warum wollte ich unbedingt nach Cala Millor?
– Die Antwort ist ganz einfach. Vor 17 Jahren (2002) habe ich hier meinen ersten Urlaub ohne erwachsene Begleiter verbracht. Der Zufall wollte es, dass Tom ebenfalls mit einem Freund in Cala Millor Urlaub machte und wir uns hier kennenlernten… Was daraus geworden ist, liest du ja aktuell in diesem Blog. 😉
Irgendwann muss ich unsere doch spannende Kennenlerngeschichte mal aufschreiben…
Am Morgen des 19. September fuhren die Kinder und ich somit mit dem Dinghi an einen der Fähranleger und besuchten den Ort dieser wundersamen Begegnung.
Nach einem Frühstück und der Entdeckung meines damaligen Hotels sowie etwas Suchen, standen wir schließlich vor der Bar Chaplin in Cala Millor. Naja, eine Bar war dort nicht mehr, aber ich sprach mit dem neuen Mieter, der die Bar als Erweiterung für seinen Quad-Verleih nutzt. Obwohl der Charlie Chaplin und die Bar-Einrichtung fehlten, so kamen mir die Türen und der Boden sehr bekannt vor. Schade, dass es die Bar nicht mehr gibt und dass Tom bei diesem Ausflug nicht dabei sein konnte…
Der sichere Hafen
Nach diesem kleinen Ausflug brachen wir Richtung Porto Colom auf. Es sollte ja bald wieder mehr Wind aufkommen und nach unseren Erfahrungen in Alcudia, wollte ich mit den Kindern an einem sicheren Ort sein. Porto Colom ist eine Bucht, die so tief ins Land hineingeht, dass sie als Hafen anerkannt wird. Es gibt dort auch einen richtigen Hafen, aber eine Anfahrt an einen Pontoon/Steg hätte ich mir nicht zugetraut. Daher plante ich eine der Bojen im inneren der Bucht zu buchen. Ich rief vorher mit dem Handy an und funkte bei unserer Einfahrt noch einmal durch.
Erste Boje als Einhandseglerin mit Kindern
Auf der 15 SM Fahrt hatten wir wieder einmal mehr Wind als vorhergesagt, aber nicht wirklich viel (10 Knoten). Obwohl ich wieder den Gennaker hätte nutzen können, habe ich es nicht gewagt. Nicht unbedingt aus Angst, sondern mehr, weil meine Hände zerschunden waren und das Öffnen und Schließen schmerzhaft war. So fuhren wir unter Motor und nutzten die Fock (=Vorsegel) als Unterstützung. Nach knapp drei Stunden fuhren wir in die Bucht ein und warteten auf den Lotsen, der uns zur Boje führte. Im Grunde hatten wir freie Wahl und suchten uns eine nah an der Kaimauer aus, um es mit dem Dinghi nicht so weit an Land zu haben. Zum ersten Mal musste ich alleine auf recht engem Raum mit den beiden Motoren navigieren und die Boje richtig ansteuern. Kiran war vorne, um dem Marinero unsere Leine (bzw. den Hahnepot/Bridle) anzugeben. Ich schaffte es auf Anhieb perfekt ran zusteuern und nicht irgendwo vor, drüber oder vorbeizufahren. Für nur 32 Euro pro Nacht konnten wir hier sicher liegen, einfach mit dem Dinghi an der Mauer anlegen, die Duschen des Clubs nutzen und free Wifi gab es auch. Perfekt!
Ausflüge
Am 20. September liefen die Kinder und ich zu einem der sehr wenigen Autovermietern (Ich glaube, es gibt zwei…) und buchten für drei Tage einen Wagen. Ich hatte Glück, denn es gab nicht mehr viele Mietwagen. In den Tagen darauf machten wir Ausflüge und bummelten durch verschiedene Läden. Ohne Tom konnten wir entspannt Deko und Blumen kaufen. 😉 Auch unsere Vorräte konnten wir dank des Mietwagens und der guten Dinghi-Anlegestelle endlich wieder richtig auffüllen. Stell dir vor, du willst mehrere Vorratspackungen Milch, Saft, Bier, Obst, Käse und sonstige typische Lebensmittel per Rucksack und mit einem Beiboot an Bord bringen. Das ist teilweise echt anstrengend! Sei es, weil der Weg zum nächsten größeren und billigeren Supermarkt weit ist oder weil wieder einmal das Meer aufgewühlt ist und du das Dinghi vollbepackt vom Strand gegen die Brandung wieder ins Wasser schieben musst…
Aber hier waren Auto und Kinder eine große Hilfe!
Sant Salvador
Unser erster toller Ausflug ging spontan zur Doppel-Bergspitze Sant Salvador. Ein heiliger Berg, mit einem ehemaligen Kloster und großer Christusfigur auf dem einen und einem riesigen Kreuz auf dem anderen Gipfel. Wir fuhren den längsten Teil des Weges den Berg hinauf, aber ein kurzes Stück wanderten wir. Es ging für uns querfeldein durch einen kleinen Wald und über felsige Wege. Immer wieder stießen wir auf Kreuzwegbilder, die die Kinder sehr interessierten. Oben angekommen, gingen wir in die Kapelle. Hier war in drei Fenstern die Weihnachtsgeschichte dargestellt und ich war überrascht, als unsere Kinder nicht sofort erkannten, worum es hier ging. Naja, es war nicht ganz offensichtlich…
Beim Rundgang durch die Kapelle entdeckten wir einen kleinen Kasten, in den man Geld einwerfen konnte und die Erklärung daneben sagte was von Musik und Licht. Solana bat inständig darum, zwei Euro einzuwerfen und zu gucken, was passiert. Nach einem kurzen Zögern warf ich das Geld ein und wir setzten uns gespannt auf eine Bank.
Plötzlich ertönte lauter Chorgesang, der den gesamten Raum ausfüllte. Es entstand eine tolle Atmosphäre und nach und nach erleuchteten immer mehr Lichter in der Kapelle, passend zur Musik. Als der Gesang endete, herrschte Stille.
Musik-Show in der Kapelle von Sant Salvador
Es befanden sich nur wenige andere Besucher dort, doch sie lächelten und glückselig zu. Wir schauten uns noch den Rest der Kapelle an, bevor wir aus dem Dunkel wieder in das helle Sonnenlicht traten.
Vor dem Gebäude gab es einen Brunnen, aus dem die Kinder Wasser probierten. „Fast besser, als aus unserem Wassermacher!“, meinte Kiran.
Die Berggipfel sind alleine deshalb schon einen Ausflug wert, weil sie einen fantastischen Ausblick über einen großen Teil der Insel bieten. Mir war gar nicht bewusst, wie grün Mallorca selbst im Hochsommer ist!
Botanicactus
Ein weiterer Ausflug führte uns am 21. September in den Botanischen Garten, in den Botanicactus. Es handelt sich hierbei um einen riesigen botanischen Garten, der zum größten Teil Kakteen, aber auch viele andere Pflanzen besitzt. Ein Rundgang mit schön angelegten Wegen und jeder Menge kleinerer und größerer Seen, Teiche und Bachläufen lädt zum Entspannen und staunenden Betrachten ein. Wenn es nicht zu heiß ist…
Während unseres Rundgangs rief Tom über Videocall an. Die besten Freunde von Kiran und Solana waren gerade zu Besuch und wünschten sich, sie könnten ebenfalls auf unserem Boot leben und so viel Neues und Spannendes erleben. Wir alle hoffen, dass sie uns zumindest irgendwann besuchen können.
Wieder vereint
Eigentlich wollten wir am 22. September noch zu einer Straußenfarm, bevor wir Tom vom Flughafen abholen mussten, doch leider hatten die am Sonntag geschlossen. Letztendlich war das aber vielleicht besser so, denn wahrscheinlich wäre es doch alles zu eng geworden. Ich musste den Kindern jedoch versprechen, diesen Ausflug nachzuholen, wenn wir weiter um Mallorca herumsegelten. Der Ort lag nämlich richtungsmäßig noch vor uns…
Somit fuhren wir an diesem schönen Sonntag nur nach Palma zum Flughafen, um Tom abzuholen. Da ich spontan Kontakt mit einer ehemaligen Kollegin hatte und sie mit mitteilte, sie sei gerade am Ballermann, wollten wir schauen, ob wir sie finden würden.
Nachdem wir also Tom abgeholt und uns alle sehr über unsere Wiedervereinigung gefreut hatten, suchten wir einen Parkplatz in der Nähe von Ballermann 8. Nach etwas Suchen gelang uns dies auch und wir schlenderten die Promenade zwischen den Ballernarios 9 und 6 entlang. Meine Kollegin fanden wir leider nicht, aber die Kinder und ich genossen den sehr schönen Sandstrand und gingen etwas schwimmen.
Lange hatten wir nicht Zeit, denn ich musste nachmittags den Mietwagen zurückbringen.
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Geschafft!
Ich bin stolz auf die wenigen Seemeilen, die ich als Einhandseglerin mit Kindern gemeistert habe. Mir wird von anderen immer wieder gesagt, dass sich das viele (Frauen) nicht zutrauen. Ich finde das sehr schade. Besonders, wenn manche schon viel länger auf Segelbooten unterwegs sind als ich…
Es stimmt schon, dass es sehr anstrengend alleine ist und man noch größeren Respekt vor Wind und Meer haben muss. Aber ich habe auch zwei tolle Kinder, die schon sehr viel verstehen und helfen können. Ganz alleine wäre es sicher schwieriger gewesen. Allerdings ist der Verantwortungsdruck ebenfalls deutlich größer!
Ich bin froh, dass ich das alles nicht (ständig) alleine meistern muss und wir alle waren sehr glücklich, dass die Familie wieder vollständig war. Gemeinsam macht es einfach auch mehr Spaß…
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Text von November 2019
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Prima geschrieben, Danke.